Ich möchte so viel wie möglich über FASD aufklären

von Mylene

Ich bin 32 Jahre alt und lebe seit fünf Jahren in einer Wohngemeinschaft für Menschen mit FASD. Erst in den letzten Jahren habe ich im Sonnenhof einen festen Halt in meinem Leben gefunden. Ich arbeite also Erfahrungsexpertin. Das heißt, ich gehe in Schulen und erzähle Jugendlichen, wie es ist, mit FASD zu leben. Ich erzähle meinen Lebenslauf, um ihnen klarzumachen, dass Alkoholkonsum der Mutter erhebliche Schäden beim Kind verursachen kann.

FASD ist eine starke Beeinträchtigung, mit der ich leben muss. Viele Menschen wissen gar nicht, was Alkohol in der Schwangerschaft bei einem Baby anrichtet. Ich habe große Ängste und Depressionen. Ich kann nicht alleine aus dem Haus gehen, es muss immer jemand mitgehen. Weil ich keine Orientierung habe, kann ich nur einstudierte Wege alleine fahren. Wenn ich mich verirre, gerate ich in Panik und es muss mich jemand abholen. Auch zu den Treffen in den Schulen kommt immer meine Betreuerin mit.

Bei mir war es so, dass meine Mutter Alkoholikerin ist und auch in der Schwangerschaft getrunken hat. Ich hatte keine schöne Kindheit. Ich kann mich aber an vieles gar nicht erinnern, nur dass ich immer alleine gespielt habe. Ich bin ganz normal in die Kita und zur Schule gegangen. Bis zur fünften Klasse ging das noch. Danach wurde mir die Schule zu anstrengend und nach ein paar Stunden bin ich einfach nach Hause gegangen, weil ich nicht mehr konnte. Irgendwann bin ich gar nicht mehr zur Schule gegangen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich aber überhaupt nicht, dass ich FASD habe. Das kam erst viel später heraus. 

Ich hatte irgendwann einen schweren Absturz, da habe ich meine Wohnung verloren, habe Alkohol getrunken und bin auf der Straße gelandet. Das war eine ganz schlimme Zeit. Ich hatte auch starke Depressionen. Bis es mir so schlecht ging, dass ich mir doch Hilfe geholt habe. Weil ich mir sagte, so geht es nicht mehr weiter. In der Psychiatrie kam dann erstmalig der Verdacht auf, dass ich FASD haben könnte. Schließlich wurde das auch bestätigt, das hat aber fast ein Jahr gedauert.

Mit 18 habe ich einen Sohn bekommen, der heute 13 Jahre alt ist. Bis er fünf war habe ich mit Unterstützung meiner Oma mit ihm zusammengelebt. Als er fünf wurde, ging es nicht mehr. Ich war total überfordert, da Kinder in diesem Alter ja schon mehr Förderung brauchen. Ich konnte ihm nicht geben, was er brauchte. Da habe ich ihn schweren Herzens in eine Pflegefamilie abgegeben. Ich habe viel geweint damals, monatelang, bin richtig zusammengebrochen. Heute ist es für mich aber ok. Am besten wäre es für uns beide gewesen, wenn wir zusammen in einer Einrichtung für Mütter und Kinder hätten leben können. Das sollte es geben bis die Kinder 18 Jahre alt sind. Leider habe ich keinen Kontakt mehr zu meinem Sohn, aber es in Ordnung, weil ich weiß, dass es ihm gut geht.

Nun lebe ich in einer Wohngemeinschaft mit Mitbewohnern, die alle FASD haben. Ohne sie hätte ich es nicht geschafft. Ich habe einen ganz tollen Mitbewohner, der alles ausgehalten hat, was ich ihm an den Kopf geworfen habe und der immer noch bei mir geblieben ist und mir hilft. Auch meine Betreuerin, ist immer für mich da, wenn ich sie brauche. Das Schlimmste für mich ist, zu wissen, dass alles nicht hätte sein müssen, wenn meine Mutter nicht getrunken hätte. Daher möchte ich so viel möglich über FASD aufklären.

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