A:aufklaren braucht seinen festen Platz in Hamburg

Interview mit Juliane Tausch

Fünf Jahre A:aufklaren - in dieser Zeit hat Gründerin und Projektleiterin Juliane Tausch viel erlebt und viel erreicht. Und ist immer noch nicht an ihrem selbstgesteckten Ziel angekommen: Dass Kinder psychisch kranker Eltern gesehen werden und dass A:aufklaren als Fachstelle in Hamburg erhalten bleibt. Denn in den Stolz über Erreichtes, mischt sich die Sorge um das Weiterbestehen der Fachstelle. Wie es für A: aufklaren weitergehen kann, erklärt sie im Interview.

A: Das Projekt A: aufklaren feiert seinen 5. Geburtstag. Was bedeutet das für dich? 

Juliane Tausch: Fünf Jahre sind eine lange Zeit, in der wir alle viel erlebt haben und im Fachgebiet „Kinder psychisch erkrankter Eltern“ unheimlich viel in Bewegung gekommen ist. Fünf Jahre A: aufklaren bedeuten auch dem Thema in Hamburg einen Platz gegeben zu haben und auf sehr verschiedenen Wegen auf die Bedarfe und Anliegen der Kinder und ihrer Eltern aufmerksam gemacht zu haben. Wir sind ein tolles Team mit tollen Kooperationspartnern. Mit dem Paritätischen Landesverband im Rücken konnten wir sowohl schnell in die entsprechenden Gremien gehen, als auch unser Know-how und auch diese ganzen Fortbildungen an die Fachleute bringen.
In dieser Zeit war uns auch ganz besonders wichtig, dass wir dieses Thema interdisziplinär ausbreiten und es an alle Fachkräfte, die mit Kindern, Jugendlichen und psychisch erkrankten Eltern weitergeben, also Menschen aus Kitas, Schulen, Hilfen zu Erziehung, Sozialraumprojekte, Eingliederungshilfe und dem Gesundheitswesen zu adressieren und ihnen Support anbieten. Die wichtige Botschaft dabei ist: Auch Fachkräfte müssen nicht alleine bleiben. Ein Netzwerk und Fachberatung können gute Ressourcen sein, sie im täglichen Handeln zu stärken. 

Wir sind im Januar 2020 gestartet und kurz danach trat die Corona Pandemie in unser Leben. Das hieß, unseren Projektplan komplett neu zu interpretieren und ganz schnell mit digitalen Angeboten zu starten. Das war für uns alle herausfordernd und bedurfte auch einiger Experimente, die uns aber ganz gut durch diese Zeit getragen haben. Wir mussten uns als Team finden und wir mussten bekannt werden. In einer Zeit, in der alle mit etwas anderem beschäftigt waren, wollten wir für das Thema KipeE Aufmerksamkeit schaffen. Mit dem Abklingen der Pandemie konnten wir mehr aus dem digitalen Raum in die echten Begegnungen gehen und haben mit ganz vielen Fortbildungen verschiedenen Formaten viele Menschen und Teams qualifiziert oder sind auf Tagungen gegangen. In dieser Zeit haben wir unsere zweite Projektphase gestartet. Das heißt, wir haben von einem bezirklich orientierten Fokus, mit dem wir zuerst in Wandsbek, Mitte und Altona gestartet waren, unser Angebot auf ganz Hamburg ausgedehnt. 

A: Was waren die Highlights der letzten Jahre?

Juliane Tausch: Sicherlich waren unsere Highlights die zwei großen, digitalen Fachtagungen, die wir mit viel Abenteuerlust und auch ein bisschen gutem Glück 2020 und 2022 veranstaltet haben. Ein weiteres Highlight ist unser Newsletter „Wetterbericht“, den inzwischen 1700 Menschen deutschlandweit lesen. Und im letzten Jahr sind wir auf YouTube online gegangen und stellen dort unser Videoproduktion zu KipeE vor. Das ist natürlich auch eine ganz besondere Sache.

Was uns an dieser Arbeit besonders Freude macht, ist dass wir mit namenhaften Expert*innen zusammenarbeiten können. Also, dass wir viele Leute zu uns holen können und in Hamburg sichtbar machen können. Und ganz persönlich freut mich auch daran, dass ich jetzt mit Menschen zusammenarbeiten kann, deren Literatur ich schon im Studium gelesen und zitiert habe. 

Ein weiteres Highlight ist auch, dass wir nicht nur in Hamburg wirksam sein können, sondern inzwischen in verschiedenen Bundesnetzwerken aktiv sind. Da wäre zum einen die Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder psychisch erkrankte Eltern (BAG KIipeE) aber auch das Bündnis Kinder aus psychisch und suchtbelasteten Familien, die sich sowohl mit der Praxisvernetzung beschäftigen, aber auch themenanwaltschaftliche Arbeit für diese Familien in Richtung Bundespolitik betreiben. In diesem Zusammenhang ist auch die Anhörung im Familienausschuss des Bundestages im Dezember zustandegekommen. 

Wichtig ist noch zu erwähnen, dass eine Grundlage für unsere Arbeit die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Auridis-Stiftung ist, die uns eine sehr umfassende Förderung ermöglicht und damit diese Arbeit erst möglich macht.

 A: Was ist für das Jubiläumsjahr geplant? 

Juliane Tausch: 2025 ist unser Jubiläumsjahr. Wir werden fünf Jahre alt und da heißt es Geburtstag zu feiern. Das A: - Es ja doch noch sehr jung und agil. Wir wollen es ein bisschen zelebrieren, denn hier stehen so viele tolle Menschen dahinter: Fachkoordinator*innen, unsere Öffentlichkeitsarbeit und Assistenz und all die Menschen, die über durch ihre Beiträge unsere Arbeit bereichern. Natürlich geht es auch darum KipeE fachlich noch mal nach vorne zu bringen. 

Konkret: In den nächsten Newslettern werden immer wieder ein Gewinnspiele zu finden sein. Wir wollen tolle fachliche Schätze teilen, wie Bücher oder Weiterbildungen. Das nächste große Highlight ist, dass wir in diesem Jahr unsere dritte Tagung im Rahmen von A: aufklaren durchführen werden. Unter dem Titel „Kinder psychisch erkrankte Eltern - sehen stärken, schützen“ wird es im Juni eine zweitägige Fachtagung geben. Das ist jetzt, nachdem wir so viel digital waren, auch ein ganz schöner Ort, um uns als A: aufklaren noch mal persönlich zu zeigen und mit allen Hamburger Fachkolleg*innen in Präsenz zu treffen. Ende Februar wird das Programm feststehen und die Buchung möglich sein - und wir freuen uns über rege Nachfrage. 

Sicherlich werden wir auch mit den Kolleg*innen eine Geburtstagsparty machen - das gehört auch dazu. Wir sorgen auch intern gut für uns, denn auch unsere Arbeit ist herausfordernd. Wir gehen immer wieder auf Neuland und darüber hinaus. Wir erleben Gegenwind und müssen oft einen langen Atem haben für unsere Anliegen.

Darüberhinaus wird es noch ein paar Highlights geben, wie z.B. Arbeitsmaterialien, die wir im Laufe des Jahres veröffentlichen und das eine oder andere bleibt noch geheim. Schauen Sie immer mal auf unserer Website, unter Aktuelles, aber auch in die Newsletter, dort halten wir Sie auf dem Laufenden.

A: Was ist genau zur Fachtagung geplant? 

Juliane Tausch: Am 24. und 25. Juni werden wir uns mit vielen Fachkollegen aus Hamburg im Steiner-Haus versammeln. Dort wird es ein Programm aus Fachvorträgen, Workshops, eine Ausstellung, eine Lesung und auch ganz viel für Vernetzung geben. Da wird es zum einen regionale Stammtische geben, womit wir hier die Hamburger Stadtteil-Vernetzung noch mal aktivieren wollen. Aber es wird auch den Markt der Möglichkeiten diesmal in Präsenz geben. Die letzten Tage Jahre haben wir ihn immer digital abgehalten. Wir freuen uns, wenn an den Fachtagen alle kommen. Es wird Sommer sein und die Sonne haben wir auch bestellt. 

A: Wird A: aufklaren über 2025 hinaus bestehen?

Juliane Tausch: Die Förderung, die wir aktuell bekommen, endet am 31. Dezember diesen Jahres und damit 98 Prozent unserer Finanzierung. Das stellt uns vor die Herausforderung, dass wir uns fragen müssen, wie wir weitermachen können und wollen. Wir müssen uns überlegen, was von unserem Angebot für die Fachpraxis weiter nützlich ist und was es noch in Hamburg und vielleicht auch überregional braucht, um das Fachgebiet gut weiterzuentwickeln. Wir sind mit dem KipeE-Thema gerade erst am Anfang. 

Wir brauchen für Hamburg weiter ganz viel themenanwaltschaftliche Arbeit und Stärkung, damit dieses Thema noch mehr auf die fachliche Agenda kommt und es vor allem mit Ressourcen ausgestattet wird. Unsere Idee ist, als Fachstelle weiter bestehen zu bleiben und möglichst niedrigschwellige Angebote für Fachkräfte und Steakholder anzubieten, also im Rahmen von Vernetzungsaktivitäten, guter Fachberatung und Fortbildung unterwegs zu sein. Wenn wir dafür keine Finanzierung bekommen, dann wird das Angebot leider nicht mehr kostenlos zur Verfügung stehen und damit wird sich natürlich auch die Ausgestaltung verändern. Wir setzen also gerade alles daran, Mittel zu akquirieren, freuen uns aber hier auch auf Unterstützung aus dem Fachfeld.

A: Gibt es etwas, was Außenstehende für den Weiterbestand des Projektes tun können? 

Juliane Tausch: Ein wichtiger Impuls ist es, in Gremien darüber zu sprechen, was Hamburg ohne eine Fachstelle für KipeE wäre. Was würde fehlen? Wer kann wofür Verantwortung übernehmen? 

Eine weitere Möglichkeit ist, jetzt vor der Wahl in Hamburg, das Thema bei den zukünftigen Abgeordneten zu platzieren. Wir benötigen einen politischen Willen und Auftrag in Hamburg für die Zielgruppe, das Fachfeld strukturiert zu erarbeiten und mit Geld auszustatten. Das hieße auch eine Begleitung für das Fachfeld durch ein Fachstelle zu ermöglichen.

Außerdem ist in den bezirklichen Jugendhilfeausschüssen ein weiterer Ansatzpunkt: KipeE als Thema aufzurufen und ihm Priorität zu geben. Schließlich brauchen wir in den Bezirken kommunale Rahmenkonzepte für die Versorgung von Kindern psychisch und suchtkranker Eltern. Hierzu braucht es mehr Forderungen und Aktivitäten, zu denen alle Institution in Hamburg beitragen können.

In einer Stadt mit knapp 2 Millionen Einwohnern und ca. 82.000 betroffenen Kindern, bei einer steigenden Zahl von psychischen Erkrankungen, in Zeiten von Fachkräftemangel, wäre es ein guter Support, das Fachfeld KipeE proaktiv zu bewirtschaften, mit Expertise zu nähren, mit Netzwerken zu stärken, mit Qualifizierung und Standarddiskursen weiterzuentwickeln. A: aufklaren kann hier einen wertvollen Beitrag leisten. Durch den kostenfreien unkomplizierten Zugang war es für viele Menschen sehr leicht, unser Angebot zu nutzen. Wenn es Geld kostet, wird die Sache wieder schwerzugänglicher. Es geht darum diese Niedrigschwelligkeit zu erhalten und das komplexe Thema in passende zielgruppengerechte Päckchen attraktiv zu zerlegen, damit es Spaß macht sich damit zu befassen. Aus unserer Sicht ist das eine öffentliche Aufgabe der Bezirke und des Stadtstaats, der Krankenkassen, aller Präventionsakteure und der Hilfe- und Versorgungsstrukturen.

Wer darüber hinaus weitere gute Ideen hat, schreibe uns gern. Wir sind hier an einem konstruktiven Austausch sehr interessiert. Auf unserer Homepage haben wir eine Übersicht erstellt, wie man uns unterstützen kann, um uns und das Thema stark zu machen. Es braucht seinen festen Platz in der Landschaft, wie Kinderschutz oder Frühe Hilfen. Damit hier nicht dunkle Wolken aufziehen, will ich schon sagen, dass wir guter Dinge sind. Aber wir brauchen Leute die Wolken schieben und die uns helfen, dass die Sonne an 2026 auch für A: aufklaren scheint.

Juliane Tausch

M.A. Klinische Sozialarbeit, Kinderschutzfachkraft nach §8a SGB VIII, Supervisorin/Coach (DGSV)
Projektleitung von A: aufklaren

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