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Kinder psychisch erkrankter Eltern

Mehr als drei Millionen Kinder leben mit einem psychisch erkrankten Elternteil zusammen – jedes vierte Kind in Deutschland ist betroffen. Allein in Hamburg wachsen circa 77.000 Kinder im Schatten der elterlichen Erkrankung auf. Sie müssen Depressionen, Psychosen und Persönlichkeitsstörungen ihrer – unter Umständen einzigen – Bezugsperson miterleben und sind den damit verbundenen Verhaltensweisen ausgesetzt.

Die Folgen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen sind schwerwiegend: Störung der Beziehungs- und Bindungsentwicklung, Überforderung, Parentifizierung, Scham- und Schuldgefühle sowie ein erhöhtes Risiko, Opfer von Misshandlung zu werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine psychische Erkrankung entwickeln, ist um ein Drei- bis Vierfaches höher.

Das Kind im Zentrum

Um Kinder und ihre psychisch erkrankten Eltern zu unterstützen, ist es wichtig, den Kontext des Kindes zu betrachten. Kinder und Eltern können nicht – oder nur selten – aus eigener Kraft ihre Lebenslagen verbessern oder genesen. Deshalb ist es wichtig, darauf zu schauen, welche Personen und Akteure sich in seinem Umfeld befinden. Wir wollen die Menschen im Umfeld des Kindes sensibilisieren und handlungssicher machen, damit sie die Kinder und auch die Familien mehr in den Blick nehmen können.

Kinder psychisch erkrankter Eltern in Hamburg

In Hamburg lebten Ende 2017 1,88 Millionen Menschen, davon 306.537 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren – das sind 16,30 Prozent der Bevölkerung. Wenn jedes vierte Kind einen Elternteil erlebt, der psychisch erkrankt ist, müssen wir auf dieser Datenlage von circa 77.000 Kindern und Jugendlichen ausgehen – die Dunkelziffer ist unbekannt. Das sind etwa vier Prozent der Hamburger Bevölkerung und entspricht der Größe der Städte Lüneburg, Norderstedt oder Bamberg.

Weitere Zahlen & Fakten zu Hamburg:

  • ein Viertel aller Haushalte in Hamburg sind Ein-Eltern-Haushalte
  • 10,3 Prozent der Hamburger beziehen Leistungen aus dem SGB II
  • 20,7 Prozent der Hamburger Jugendlichen bis 15 Jahre erhalten Leistungen zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe). Das ist jedes fünfte Kind

(Quelle Statistikamt Nord)

Hinter diesen Statistiken müssen wir viele betroffene Familien vermuten, denn psychische Erkrankungen gehen häufig mit Armut einher. Sie führen zu brüchigen Familienstrukturen, Isolation und fehlender Teilhabe. Infolgedessen erleben Eltern und Kinder Gefühle von Überforderung und Ungenügen. Kinder übernehmen dann viel zu früh zu viel Verantwortung für den Haushalt, die Geschwister, die Wahrung des Tabus und des Wohlbefindens der Eltern. Sie selbst kommen zu kurz.

Auswirkungen der Corona-Krise auf Kinder psychisch erkrankter Eltern

Durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie fehlen Kindern und Jugendlichen Bezugspersonen und auswärtige Kontakte, die Orientierung und Sicherheit geben. Die sozialen und strukturellen Veränderungen durch die Kontaktsperren werfen die Familie auf sich zurück.

Für Eltern, die unter Ängsten leiden oder eine verzerrte Wahrnehmungen auf die Welt haben, ist die aktuelle Situation kaum oder gar nicht zu bewältigen. Wenn bisher die Sprache zu den emotionalen Belastungen oder auch krankheitsbezogenen Verhaltensweisen eines Elternteils fehlten, ist es jetzt noch schwieriger darüber zu sprechen.

Wer hat Schuld? Warum passiert das? Kinder und Jugendliche brauchen Antworten. Sie brauchen Unterstützung von außen und von Dritten. Sie brauchen Schutz, nicht noch mehr Verantwortung zu übernehmen. Sie brauchen Hilfe, Entlastung und Erwachsene, die sorgfältig hinhören. Jetzt noch mehr!