Traumatisierte Kinder brauchen einen sicheren Ort

Die Mattisburg bietet einen Ort für Verstehen und Stabilisierung

von Martina Mohr

Die Mattisburg Hamburg ist eine diagnostische Einrichtung für traumatisierte Kinder. Seit 2014 steht die Mattisburg in der Hansestadt. Gegründet wurde sie durch das Engagement der Stiftung „Ein Platz für Kinder“, der Urbanstiftung und der Großstadt-Mission Altona. Unsere Einrichtung nimmt Kinder für zwei Jahre vollstationär auf. Am Ende steht ein umfassender Bericht. Häufig sind alle beteiligten Erwachsen überfordert, wie und wo diese Kinder einen guten, sicheren Ort finden können. Dann werden sie in der Mattisburg über die Jugendämter angefragt.

Ein interdisziplinäres Team aus Pädagogen, Therapeuten und Psychologen hat die Aufgabe, über zwei Jahre jedes Kind zu verstehen und zu fördern. Die Instrumente unserer Mitarbeiter sind: Sozialpädagogische Kompetenzen, traumapädagogisches und traumatherapeutisches Wissen, eine solide Ausbildung in Deeskalation sowie eine intensive Reflexionsbereitschaft. Das sind die Voraussetzungen für die Arbeit in der Mattisburg.

„Mich kann kein Erwachsener aushalten“

Wir betreuen in der Mattisburg sechs Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren. Die Kinder kommen aus hochbelasteten Situationen, sie kommen zu uns aus „familiären Krisengebieten“. Alle Kinder, die bei uns sind, haben einen guten Grund für ihre Auffälligkeiten. Sie kommen oft aus Elternhäusern, die selbst schon durch Gewalt und Sucht in Not geraten sind und dadurch keinen oder nicht genügend Schutz bieten konnten. Die Kinder werden meist auffällig in Kita und Schule. Das weckt die Aufmerksamkeit des Jugendamts, das den Eltern Hilfen zur Erziehung anbietet. Manches Kind in der Mattisburg hat schon eine lange Geschichte von Abbrüchen in unterschiedlichen Institutionen hinter sich. Sie wurden von ihrer Umwelt nicht ausgehalten. Denn es sind Kinder die Gewalt erlebt oder miterlebt haben und deshalb in den meisten Gruppen nicht ausgehalten werden. Sie haben sich zu „Systemsprengern“ entwickelt, belastet durch all die erlebten Verletzungen an Seele und Körper. Mit ihrer Auffälligkeit zeigen sie ihre große Not. Die Kinder kommen aus Familien in denen sie nicht Kind sein konnten. Sie wurden nicht geschützt vor extrem schädlichen Einflüssen. Bislang haben „unsere Kids“ wenig bis keine Achtung vor ihrem eigenen Kind-sein, keine oder zu wenig Liebe und Geborgenheit erlebt. Sie hatten keinen Schutz vor dem Missbrauch durch Erwachsenen an ihnen.

Ein Beispiel: Ein Mädchen kommt als 9-Jährige, nach einer langen Odyssee von Abbrüchen in WGs, in die Mattisburg und sagt am zweiten Tag der Kindergruppe und dem Team: „Mich kann kein Erwachsener aushalten!” Ein 11-jähriges Mädchen, das mittlerweile ein Jahr in der Mattisburg lebt, antwortet ihr: „Hier können sie Dich aushalten und wenn Du ein Jahr hier bist, dann weißt Du das und es geht Dir besser.“

Die Mattisburg ist ein Kinderschutzhaus

Die Mattisburg ist also ein Kinderschutzhaus. Es bietet Schutz, traumapädagogisches Verständnis, Verlässlichkeit und Entwicklung für die Kinder. Durch intensive Elternarbeit bieten wir auch den Eltern Veränderung und Entwicklung an. Mit unterschiedlichen Angeboten und Methoden arbeiten wir intensiv an der Stabilisierung der Kinder. Wir fördern die ganzheitliche Genesung der Kinder: bieten ihnen einen traumapädagoischen Alltag, ein bindungsorientiertes Verstehen, Psychoedukation, Kindertherapie, Musiktherapie und Reittherapie und handwerkliches Arbeiten.  Unser Ziel ist es, dass die Kinder zur Ruhe kommen, ganz vorsichtig wieder beginnen anderen Menschen zu vertrauen, sich selbst besser zu verstehen und erkennen, was sie alles können. In der Elternarbeit ist es das Ziel, dass die Eltern verstehen und anerkennen, welchen Anteil der Not ihrer Kinder sie zu verantworten haben, bis hin zu einer aufrichtigen Entschuldigung bei ihren Kindern für beispielsweise Versäumnisse und „Wegsehen“.

Wir sind nicht alleine: Wir haben beispielsweise eine sehr enge Zusammenarbeit mit den umliegenden Schulen aufgebaut. Wir kennen uns gut und haben uns auf eine gemeinsame Herangehensweise mit den Mattisburg-Kindern verständigt. Für die Kinder soll es ein Neuanfang werden und eine positive Schulerfahrung nach vielen Schwierigkeiten, bis hin zum Urteil: „unbeschulbar!“ Ein Beispiel: Ein Junge ist 16 Monate bei uns und konnte ein Jahr lang nicht in einer Gruppe beschult werden, er hielt zunächst nur eine Stunde täglich aus. Heute geht er täglich in einer kleinen Gruppe zur Schule und ist darüber sehr stolz. Die Normalität, die für die Kinder durch den Schulbesuch entsteht, ist für sie ein wichtiger Faktor für eine positive Zukunftsperspektive.

Gut stabilisiert in den nächsten Lebensabsschnitt

Zurück ins Elternhaus gehen die Kids selten. Wenn, dann mit einem Rückführungskonzept und Unterstützung durch ambulante Erziehungshilfen in der Familie, die das Jugendamt zur Verfügung stellt. Es ist schön zu sehen, dass Eltern beginnen, ihre Kinder neu zu sehen. Ob die neue positive Sicht ausreicht für eine nachhaltige Veränderung, in der Beziehung und im Alltag bleibt immer wieder schwer einzuschätzen. Am Ende des Aufenthalts begleiten die Mitarbeiter*innen die Kinder intensiv durch den Abschied. Allermeist gehen die Kinder gut aufgestellt und gut stabilisiert in ihren nächsten Lebensabschnitt. Nach zwei Jahren Traumadiagnostik, in denen ein besseres Verstehen stattgefunden hat, durch die Stabilisierung im Alltag, durch gut ausgebildete Bezugspersonen, Elternarbeit und das langsame Verorten im Hier und Jetzt, brauchen die Kinder Orte in Hamburg, wo sie das Neugelernte festigen und dort groß werden können.

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