„Gesundes Aufwachsen fördern heißt von der Familie her denken.“

Gesundheit bedeutet nicht die Abwesenheit von Krankheit. Gesundheit bedarf es zu fördern. Wege und Möglichkeiten zur Umsetzung zeigt die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V. (HAG) auf.

Interview mit Petra Hofrichter

Gesundheitliche Chancengleichheit, integrierte kommunale Strategien, sektorenübergreifendes Handeln und Partizipation. Das sind Themen, die Petra Hofrichter bei ihrer Arbeit besonders am Herzen liegen. Die Geschäftsführerin und fachliche Leitung der. HAG weiß: „Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt: dort, wo sie spielen, lernen arbeiten und lieben (Ottawa-Charta)“ Seit nunmehr 20 Jahren treibt die Soziologin und Ethnologin bei der HAG Themen voran – immer unter der Prämisse, das körperliche und seelische Wohlbefinden der Gesellschaft zu fördern.

Was der Unterschied zwischen Gesundheitsförderung und Prävention ist, was hinter dem Pakt für Prävention steckt und welche Rolle die HAG dabei einnimmt, berichtet Petra Hofrichter im Interview mit A: aufklaren. Passend zum Themenschwerpunkt ‚Prävention’ gibt sie uns Einblicke in ihr Arbeitsfeld und verrät, was Fachkräfte und Familien brauchen, um in einer gesunden Stadt zu leben.

 

A: Erklären Sie uns zu Beginn bitte, was die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG) macht?

 

Petra Hofrichter: Wir machen uns stark für soziallagenbezogene Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten. Das machen wir überall dort, wo Menschen leben, wohnen und arbeiten. Dabei knüpfen wir an die Definition der Ottawa-Charta an und verfolgen die Ziele, das körperliche, seelische und soziale Wohlbefinden der Bevölkerung sowie die gesundheitliche Chancengleichheit zu fördern. Das heißt, Gesundheit zu ermöglichen, unabhängig vom sozialen Status, der Herkunft, des Alters oder des Geschlechts.

 

A: Wie setzen Sie diese Ziele um?

 

Petra Hofrichter: Um diese Ziele zu erreichen, setzen wir unsere Expertise und unsere Kompetenzen in Projekten und Programmen ein, um Strukturen und soziallagenbezogene Gesundheitsförderung in Hamburg zu unterstützen und zu stärken.

Wir verstehen uns als landesweites Kompetenzzentrum. In dieser Rolle verbinden wir Akteur*innen aus unterschiedlichen Bereichen, denn Gesundheitsförderung ist eine Querschnittsaufgabe. Wir organisieren, netzwerken, koordinieren und fördern einen fachlichen Austausch, wir beraten Institutionen und Einrichtungen, wir qualifizieren Multiplikator*innen, unterstützen die Qualitätsentwicklung in der Gesundheitsförderung, wir informieren zu aktuellen Fragen, machen Öffentlichkeitsarbeit und fördern Projekte.

„Wir verstehen uns als landesweites Kompetenzzentrum.”

A: Aus welchem Bereich erhält die HAG ihre Ressourcen?

 

Petra Hofrichter: Die HAG wird gefördert durch die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde), durch Krankenkassen und Krankenkassenverbände sowie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, weitere Bundesministerien und Hamburger Behörden.

Die Finanzierung bezieht sich beispielsweise auf bestimmte Aufgaben der Gesundheitsförderung und Prävention in Hamburg oder auf Projekte im Rahmen des § 20 SGB V.

 

A: Erzählen Sie einmal, wer alles zu den Akteur*innen und Institutionen zählt, die sich in Hamburg für Prävention stark machen?

 

Petra Hofrichter: In der HAG sind 66 Mitgliedsorganisationen vertreten. Das sind überwiegend Organisationen, Institutionen und Vereine aus den Bereichen Gesundheit, Bildung und Soziales. Dazu zählen auch Berufsverbände und Interessensvertretungen wie die Ärztekammer, die Psychotherapeutenkammer oder der Hebammenverband.

Wir bieten unseren Mitgliedseinrichtungen aber auch Kooperationspartner*innen, die nicht Mitglieder sind, eine Plattform, um die Themen Gesundheitsförderung und Prävention in einem koordinierten und qualitätsorientierten Vorgehen zu bearbeiten.

 

A: Setzen Sie dabei bestimmte Themen?

 

Petra Hofrichter: Unsere Arbeitsschwerpunkte sind derzeit: Gesundheit in der Stadt, Gesund Aufwachsen, Gesundheit und Teilhabe im Alter und Gesundheit im Betrieb. Hier arbeiten wir in Netzwerken, Arbeitskreisen und festen Kooperationsbezügen. Zu unseren Partner*innen und Adressat*innen zählen Akteur*innen aus den Bereichen Gesundheit, Soziales, Bildung, Familie, Stadtentwicklung, Arbeit, Integration, Umwelt, Wissenschaft.

Gesundheit wird von vielen Faktoren bestimmt, das heißt, Gesundheit muss – gemäß des Health-in-all-Policies-Ansatzes – überall mitbedacht werden. Das gelingt über sektorenübergreifende Kooperation und Netzwerkarbeit. In dem Kontext sind wir auch auf A: aufklaren zugekommen und sehen Sie als Partner der Gesundheitsförderung und Prävention.

 

A: Wir begrüßen es natürlich, dass wir hierzu mit der HAG im Austausch sind. Was sind aktuell Ihre wichtigsten Arbeitsfelder?

 

Petra Hofrichter: Das Thema gesundheitliche Chancengleichheit war auch schon vor Corona eines unserer zentralen Themen. Doch durch die Pandemie hat es noch mal eine sehr große Schubkraft bekommen. Ein weiteres Thema, das uns arbeitsfeldübergreifend begleitet, ist der Ausbau von integrierten kommunalen Strategien. Ganz besonders in Hamburg, wo viele Angebote sozialräumlich ausgerichtet sind. Hier sind wir in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen aktiv, zum Beispiel mit der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Hamburg, der Fachstelle Landesinitiative Leben mit Demenz oder dem Arbeitsfeld Gesund aufwachsen. Wir unterstützen und fördern integriertes Arbeiten sowohl auf der lokalen wie auf der strategischen/politischen Ebene.

„Das Thema gesundheitliche Chancengleichheit war auch schon vor Corona eines unserer zentralen Themen.”

Die HAG gestaltet Programme und Prozesse mit, die in Hamburg umgesetzt werden, und unterstützt diese mit ihrer Fachkompetenz. Dazu gehört zum Beispiel das Landesprogramm „Pakt für Prävention – Gemeinsam für ein gesundes Hamburg!“, die Umsetzung der Landesrahmenvereinbarung im Rahmen des Präventionsgesetzes und die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit. Ein zentraler Schwerpunkt ist dabei die Zusammenarbeit mit den Ministerien und den Sozialversicherungsträgern.

 

A: Was macht das Thema Gesundheitsförderung Ihrem Verständnis nach aus?

 

Petra Hofrichter: Gesundheit ist vor allem eine soziale Frage: Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie die übergreifenden sozioökonomischen, kulturellen und umweltbezogenen Bedingungen in einer Gesellschaft haben Einfluss auf die Gesundheit. Armut ist ein zentraler Risikofaktor für Gesundheit.

Die HAG orientiert sich an einem mehrdimensionalen und positiven Gesundheitsbild. Gesundheit verstehen wir nicht nur als Abwesenheit von Krankheit. Gesundheit umfasst das soziale, seelische und körperliche Wohlbefinden sowie gesellschaftliche Teilhabe. Gesundheit ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Man ist nie nur krank oder nur gesund.

„Gesundheit verstehen wir nicht nur als Abwesenheit von Krankheit. (...) Gesundheit ist kein Zustand, sondern ein Prozess.”

Mit unserer Arbeit setzen wir uns dafür ein, dass gesundheitsfördernde Interventionen darauf ausgerichtet sind, die Bedingungsfaktoren, die Verhältnisse und das Verhalten im Blick zu haben, die Ressourcen der Menschen zu stärken, sie zu empowern und zu beteiligen.

Prävention hat das Ziel, durch vorbeugende Maßnahmen eine Erkrankung zu verhindern, zu verzögern oder Krankheitsfolgen zu vermeiden. Prävention setzt also an konkreten Gesundheitsrisiken durch bestimmte Krankheiten für eine Person an. Die Begriffe Gesundheitsförderung und Prävention werden häufig synonym genutzt und ergänzen sich gegenseitig.

 

A: Gut, dass sie die beiden Begriffe noch mal für sich definieren. Oft werden diese zusammengebracht. Gemeinsam mit der Sozialbehörde hat die HAG den Pakt für Prävention ins Leben gerufen. Was hat es damit auf sich und an wen richtet sich dieser?

 

Petra Hofrichter: Der Pakt für Prävention ist vor elf Jahren von der Gesundheitsbehörde (jetzt Sozialbehörde) ins Leben gerufen worden. Die HAG war von Beginn an als Unterstützer*in dabei, mittlerweile haben mehr als 120 Akteur*innen aus Gesundheitsförderung, -versorgung, -wirtschaft und Prävention sowie andere relevante Partner*innen die Kooperationsvereinbarung unterzeichnet und entwickeln das Landesprogramm gemeinsam und prozesshaft weiter. Kernstück ist der jährlich stattfindende Kongress, der gemeinsam von der Sozialbehörde und der HAG ausgerichtet wird.

Die HAG unterstützt diesen Prozess mit Organisation, Konzeption, Durchführung sowie Auswertung des Pakt-für-Prävention-Kongresses und setzt damit auch Impulse für die inhaltliche Weiterentwicklung des Landesprogramms.

Mit der Umsetzung des Präventionsgesetzes hat der Pakt für Prävention eine neue Rolle: Er unterstützt die Gremien der Landesrahmenvereinbarung (LRV) fachlich, indem er Empfehlungen ausspricht. 

 

A: Was bedeutet das konkret?

 

Petra Hofrichter: In den letzten Jahren hat der Pakt für Prävention die Stärkung der psychosozialen Gesundheit empfohlen. Diese Empfehlung beachten wir in unserer Arbeit. Die Stärkung der psychosozialen Gesundheit wird auch in der Landesrahmenvereinbarung berücksichtigt. Die Nationale Präventionskonferenz legt dabei den Fokus auf Kinder psychisch und suchtkranker Eltern. Hier gibt es wieder eine Schnittmenge zu A: aufklaren.

 

A: Ja, absolut. Das ist auch ein guter Übergang zur nächsten Frage: Kinder psychisch erkrankter Eltern übernehmen früh Verantwortung, sie erledigen elterliche Aufgaben und stellen ihre eignen Bedürfnisse oft hinter die ihrer Eltern. Gibt es bei Ihnen Präventionsangebote, die sich an Familien richten?

 

Petra Hofrichter: Unsere Adressat*innen sind Fachkräfte und Multiplikator*innen. Nur in Einzelfällen, wenn wir zum Beispiel Modellprojekte entwickeln, kann es sein, dass wir mit Kindern und Familien im direkten Kontakt sind. Aber wir haben in der HAG mehrere Programme und Projekte, die die Stärkung der Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien in den Blick nehmen. Dabei geht es primär um personale Ressourcen.

Im Arbeitsbereich „Gesund aufwachsen“ gibt es zum Beispiel das Elternprogramm Schatzsuche, das sich an Eltern und an Fachkräfte richtet. Ziel von Schatzsuche ist es, dass Eltern die Signale ihrer Kinder besser verstehen. Wir sind davon überzeugt, dass Eltern selbst Lösungen für die Herausforderung, die ihnen begegnen, finden können.

„Wir sind davon überzeugt, dass Eltern selbst Lösungen für die Herausforderung, die ihnen begegnen, finden können.”

Die Stärkung der psychischen Gesundheit in Übergangssituationen steht auch im Projekt „Landungsbrücke 2“ im Vordergrund. Hier nehmen wir die Zielgruppe der Jugendlichen in den Blick. Wir bilden Fachkräfte weiter, damit sie die seelische Gesundheit von Jugendlichen stärken können. Auch hier gehen wir von der Prämisse aus, dass jede*r Jugendliche das Potenzial hat, sich erfolgreich und positiv zu entwickeln.

Im Projekt „GESundeZEITEN für Kinder mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ihren Familien“ unterstützen wir Familien, die Kinder mit chronischen Erkrankungen haben. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung bei einem Kind kann eine herausfordernde und auch sehr belastende Situation für alle Familien-angehörigen sein – insbesondere wenn die Familien bereits mit anderen Belastungen wie Armut, engem Wohnraum, Erwerbslosigkeit, Isolation zu kämpfen haben. Fachkräften machen wir Fortbildungsangebote, damit diese Familien besser wahrnehmen und ihnen passende Unterstützungsangebote machen können. Wir wollen über Ansätze und Angebote der Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation informieren. Wir knüpfen dabei an den sozialräumlichen Netzwerkstrukturen in Hamburg an.

Im Rahmen des Landesprogramms „Guter Start für Hamburgs Kinder“ unterstützen wir gemeinsam mit der Sozialbehörde die Netzwerkkoordinator*innen „Frühe Hilfen“. Diese begleiten wir fachlich und bieten Fortbildungen an.

In diesen Projekten ist uns vor allem wichtig, einen Perspektivwechsel anzustoßen. Von der Familie her denken ist ein Leitsatz, an dem wir uns in der Projektarbeit orientieren, dazu zählt der Blick auf die Ressourcen und die Perspektive der Eltern und das Ziel weder Eltern noch Kinder zu stigmatisieren.

„Von der Familie her denken ist ein Leitsatz, an dem wir uns (…) orientieren (…)”

Im Arbeitsfeld Gesundheit in der Stadt steht das Setting Kommune (Stadtteil/Bezirk) im Vordergrund, hier beraten wir z. B. die Lokalen Vernetzungsstellen Prävention beim Ausbau von integrierten kommunalen Strategien – die Gesundheit von Kindern und Familien gehört dazu.

 

A: Corona hat den Zugang für Fachkräfte bei ihrer Arbeit mit Familien erschwert. Gibt es Lösungsansätze zum Thema ‚Erreichbarkeit‘, die Sie bei der HAG entwickeln, um wieder mehr Zugang zu diesen Familien zu ermöglichen? 

 

Petra Hofrichter: Zugänge, Ansprache und Erreichbarkeit waren auch vor Corona zentrale Themen. Vor allem für die Arbeitsfelder, in denen Fachkräfte mit Menschen zusammenarbeiten und eine Dienstleistung anbieten. Die Auswirkungen der Pandemie warfen Fragen auf, wie: Sind die Zugänge die richtigen? Ist die Ansprache die richtige? Erreichen wir die Menschen? Was die Kontaktaufnahme, das Kontakthalten sowie die Zusammenarbeit zwischen Fachkräften und Eltern betrifft, stellen wir fest, dass sich sehr viel weiterentwickelt hat. Fachkräfte entwickelten zum einen digitale Tools, zum anderen verstärkten sie analoge Wege. Sei es zum Beispiel das persönliche Aufsuchen von Klient*innen und Familien in ihrem Quartier.

 

A: Haben Sie konkrete Beispiele?

 

Petra Hofrichter: Die HAG hat Fachkräfte unterstützt, diese Wege zu gehen. Wir haben sie zunächst befragt und zugehört, um zu erfahren, wo es hakt und wobei es Unterstützung bedarf und haben Austauschtreffen moderiert. Daraufhin haben wir informiert: Auf unserer Website haben wir eine Corona-Seite integriert, in unserer Zeitschrift StadtpunkteThema und im Newsletter StadtpunkteAktuell haben wir gute Praxisansätze vorgestellt. Außerdem haben wir unsere Kooperationspartner*innen befragt, um zu erfahren, welche digitalen Wege und Tools bereits genutzt werden und was ggf. gebraucht wird. Ein Ergebnis ist, dass sich die Befragten mehr Unterstützung bei der Nutzung von digitalen Tools wünschen. Und wie es gelingt, weiterhin integrativ und partizipativ zu arbeiten. Dabei stellen wir uns auch die Frage, wie diese neuen Zugänge so genutzt werden können, dass sie nicht zu einem Präventionsdilemma führen. Die Themen Partizipation, Niedrigschwelligkeit und digitale Transformation sind auch „nach Corona“ weiterhin zentrale Schwerpunkte unserer Arbeit.

In der HAG gehen wir seit einem Jahr einen neuen Weg: Wir bieten „MHFA Ersthelfer - Kurse für psychische Gesundheit“ an. MHFA steht für „Mental Health First Aid. In diesen Kursen werden Wissen und Fertigkeiten für Ersthelfende vermittelt, um Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen helfen zu können. Die Ersthelfenden unterstützen den Weg der betroffenen Menschen quasi als Lots*innen in das bestehende Hilfesystem. 

 

A: Welchen Beitrag kann die Prävention und Gesundheitsförderung leisten, damit Kinder in psychisch belasteten Familien gestärkt werden?

 

Petra Hofrichter: Gesundheitsförderung kann eine Kultur des gesunden Aufwachsens entlang der Lebenslaufperspektive von Kindern stärken. Die Frage ist, wie uns das in Hamburg gelingen kann, dieses Thema stärker zu transportieren. Wenn Kinder in besonders belasteten Familien aufwachsen, haben wir den Auftrag, genau hinzuschauen. Es geht um das Sichtbarmachen und darum, Fachkräfte dafür zu sensibilisieren, zu informieren und zu vernetzen. Dabei wollen wir entstigmatisieren und legen den Fokus auf Empowerment, Partizipation und Resilienz-förderung. Voraussetzung ist, dass Fachkräfte, in einem guten Netzwerk arbeiten. Es gilt bestehende Angebote in eine (kommunale) Strategie einzubinden, damit aufeinander abgestimmt agiert werden kann. Dabei wollen wir auch einen gesellschaftlichen Diskurs anstoßen: Wie viel Verrücktheit ist normal? Für wie viel Diversität setzt sich eine Gesellschaft ein?

„Gesundheitsförderung kann eine Kultur des gesunden Aufwachsens entlang der Lebenslauf-perspektive von Kindern stärken.”

A: Stress, Ängste, Depression, Interessenverlust und sozialer Rückzug können für Familien u. a. psychische Folgen von Corona sein. Hinzu kommen körperliche Symptome wie Übergewicht, Kopfschmerzen oder Schlafstörungen. Das wiederum macht sich in der Kinder- und Jugendhilfe, in Schule, Kita oder in der Psychiatrie bei der Arbeit von Fachkräften bemerkbar. Welche Gedanken macht sich die HAG zu den Folgen von Corona?

 

Petra Hofrichter: Das bereits erwähnte Angebot „Mental Health First Aid“ führen wir fort und bauen es weiter aus, da wir glauben, dass es ein sehr guter Weg ist, um Menschen, die belastet sind, anzusprechen.

Wir sind mit unseren Netzwerkpartner*innen im regelhaften Austausch darüber, wie die Alltagsveränderungen durch Corona uns weiter beeinflussen. Welche Veränderungen sind sichtbar geworden und welche positiven Impulse gibt es? Ich bin mir sicher, dass es im Bereich der psychosozialen Gesundheit, wozu auch die Bewegungsförderung zählt, einen großen Bedarf geben wird, Menschen zu stärken. Im Rahmen unserer Projektförderung bieten wir Einrichtungen die Möglichkeit, Mittel zu beantragen, um Projekte durchzuführen, die ganz konkret einen Bezug zu Corona und der Bewältigung der Folgen haben.

 

A: Was glauben Sie, was es für Kinder von psychisch erkrankten Eltern in Zukunft in Hamburg braucht?

 

Petra Hofrichter: Alle Kinder sollen im Wohlergehen aufwachsen können. Dabei gilt es zu schauen, wer besonders große Hürden zu bewältigen hat. Dazu gehören mit Sicherheit Kinder in extrem belasteten Familiensituationen. Diese Kinder bewältigen in ihrem Lebensalltag sehr viel.

„(…) Kinder sollen im Wohlergehen aufwachsen können.”

Der Fokus sollte immer darauf gerichtet sein wie in Hamburg ein gesundes Aufwachsen für alle Kinder gelingen kann. Wie schaffen wir einen Rahmen dafür und wie können wir sicherstellen, dass alle davon profitieren. Voraussetzung ist Aufmerksamkeit für das Thema und Sensibilität für die Familien, ohne sie zu stigmatisieren. Wichtig ist dabei auch ein starkes, professionsübergreifendes Netzwerk unter den Fachkräften sowie die Förderung der Fachkräfte im ressourcenorientierten Handeln. 

 

A: Das war sehr interessant, danke, dass Sie sich Zeit für das Interview genommen haben.

 

Petra Hofrichter: Vielen Dank.

Petra Hofrichter

Petra Hofrichter ist Geschäftsführung und Fachliche Leitung der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit bei der Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG).

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