Frontotemporale Demenz

Einblicke in die Krankheit und ihre Auswirkungen auf die Familie

Die Frontotemporale Demenz (FTD) ist eine komplexe neurodegenerative Erkrankung, die sich durch fortschreitende Veränderungen in Verhalten, im Verständnis und Sprache auszeichnet [1]. Im Gegensatz zu anderen Demenzformen erkranken FTD-Patienten meist bereits vor dem 65. Lebensjahr. Die Erkrankung ist dabei durch ein fortschreitendes Absterben von Nervenzellen im Stirn- und Schläfenlappen des Gehirns gekennzeichnet [2]. Der frühe Beginn der Erkrankung und die oftmals atypischen Symptome stellen eine besondere diagnostische und therapeutische Herausforderung dar [3].

Klinische Präsentation

Klinisch präsentiert sich FTD primär durch markante Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen. Betroffene zeigen häufig eine Verminderung sozialer Kompetenzen, Impulsivität oder Apathie [4]. Kognitive Defizite manifestieren sich vorwiegend in den Exekutivfunktionen, worunter in der Neuropsychologie verschiedene kognitive Fähigkeiten zusammengefasst werden, die für die Kontrolle und Selbstregulierung des Verhaltens erforderlich sind. Dazu zählen planen, Entscheidungen treffen, Arbeitsgedächtnis, Handeln entgegen der Gewohnheit/Verhaltenshemmung und mentale Flexibilität. Gedächtnisleistungen bleiben zumindest anfangs oft erhalten [5]. Sprachliche Störungen, die sich als verschiedene Formen der primär progredienten Aphasie äußern können, stellen ein weiteres charakteristisches Merkmal dar [6]. Aphasien sind Sprachstörungen, die durch eine Beeinträchtigung der Sprachproduktion und des Sprachverständnis im Zentralnervensystem entstehen. 

Ätiologie

Ätiologisch spielen genetische Faktoren eine bedeutende Rolle. Etwa 20 bis 40 Prozent der FTD-Fälle weisen eine familiäre Prädisposition auf, wobei Mutationen in den Genen C9orf72, GRN und MAPT als Hauptverursacher identifiziert wurden [7]. Diese genetische Komponente hat weitreichende Implikationen, insbesondere für die Nachkommen der Betroffenen [8].

Diagnostik

Die Diagnose erfordert einen multidimensionalen Ansatz, der klinische Evaluation, neuropsychologische Testung, bildgebende Verfahren und gegebenenfalls genetische Testung umfasst [9]. Moderne bildgebende Verfahren wie MRT und PET können charakteristische Muster der Hirnatrophie aufdecken, die für die Diagnose von entscheidender Bedeutung sind. Genetische Tests können Mutationen identifizieren, die mit FTD in Verbindung stehen, und sind besonders wichtig bei familiären Fällen.

Therapie

Therapeutisch stehen derzeit symptomatische Ansätze im Vordergrund, da kurative Behandlungsmöglichkeiten noch fehlen [10]. Medikamente können eingesetzt werden, um Verhaltenssymptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Psychosoziale Interventionen und Unterstützung für die Pflegepersonen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle im Management der Krankheit.

Auswirkungen auf Kinder von FTD-Patienten

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Kinder von FTD-Patienten, die sich mit einzigartigen Herausforderungen konfrontiert sehen. Diese Kinder erleben oft tiefgreifende Veränderungen in ihrer Familienstruktur und -dynamik [11]. Die Verhaltensänderungen des erkrankten Elternteils, wie der Verlust von Empathie, impulsives Verhalten oder Apathie, können zu erheblicher emotionaler Belastung führen [12]. Kinder müssen nicht nur lernen, mit diesen Veränderungen umzugehen, sondern sehen sich auch mit der Möglichkeit konfrontiert, selbst ein erhöhtes genetisches Risiko zu tragen [13].

Psychosoziale Auswirkungen

Die psychosozialen Auswirkungen auf Kinder von FTD-Patienten sind vielfältig. Sie können Gefühle von Verwirrung, Angst und Trauer erleben, während sie versuchen, die Veränderungen bei ihrem Elternteil zu verstehen [14]. Oft übernehmen sie frühzeitig Verantwortung und Pflegeaufgaben, was zu einer vorzeitigen Reifung, aber auch zu Überforderung führen kann [15]. Die Unsicherheit über ihre eigene genetische Prädisposition kann zudem eine zusätzliche psychische Belastung darstellen [16].

Zusammenfassend erfordert die Betreuung von Familien mit FTD-Patienten, insbesondere mit Blick auf die betroffenen Kinder, einen ganzheitlichen, interdisziplinären Ansatz. Neben der medizinischen Versorgung des erkrankten Elternteils muss das Wohlergehen der Kinder in den Fokus rücken. Nur so kann sichergestellt werden, dass sie die notwendige Unterstützung erhalten, um die Herausforderungen dieser komplexen familiären Situation zu bewältigen und sich trotz der schwierigen Umstände gesund entwickeln zu können.

Željko Uzelac

Facharzt für Neurologie 
Leiter der FTLD-Spezialsprechstunde
Leiter der SMA
RKU - Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm
Neurologische Universitätsklinik
Oberer Eselsberg 45, 89081 Ulm

Telefon: +49 731 177 5272 
Email: zeljko.uzelac@rku.de
www.rku.de
www.uniklinik-ulm.de/neurologie

Quellenangaben

[1] Neary, D., et al. (1998). Frontotemporal lobar degeneration: a consensus on clinical diagnostic criteria. Neurology, 51(6), 1546-1554.

[2] Seelaar, H., et al. (2011). Clinical, genetic and pathological heterogeneity of frontotemporal dementia: a review. Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry, 82(5), 476-486.

[3] Rascovsky, K., et al. (2011). Sensitivity of revised diagnostic criteria for the behavioural variant of frontotemporal dementia. Brain, 134(9), 2456-2477.

[4] Piguet, O., et al. (2011). Behavioural-variant frontotemporal dementia: diagnosis, clinical staging, and management. The Lancet Neurology, 10(2), 162-172.

[5] Rosen, H. J., et al. (2002). Patterns of brain atrophy in frontotemporal dementia and semantic dementia. Neurology, 58(2), 198-208.

[6] Gorno-Tempini, M. L., et al. (2011). Classification of primary progressive aphasia and its variants. Neurology, 76(11), 1006-1014.

[7] Rohrer, J. D., et al. (2015). The genetic and neuroanatomical basis of frontotemporal dementia. Nature Reviews Neurology, 11(5), 323-336.

[8] Galvin, J. E., et al. (2017). "What Do I Do Now?": Caring for the Caregiver in Frontotemporal Degeneration. American Journal of Alzheimer's Disease & Other Dementias, 32(5), 259-266.

[9] Hodges, J. R., & Piguet, O. (2018). Progress and Challenges in Frontotemporal Dementia Research: A 20-Year Review. Journal of Alzheimer's Disease, 62(3), 1467-1480.

[10] Knopman, D. S., & Roberts, R. O. (2011). Estimating the number of persons with frontotemporal lobar degeneration in the US population. Journal of Molecular Neuroscience, 45(3), 330-335.

[11] Caceres, B. A., et al. (2016). Family caregivers of patients with frontotemporal dementia: An integrative review. International Journal of Nursing Studies, 55, 71-84.

[12] Kaizik, C., et al. (2017). Factors affecting the well-being of caregivers of patients with frontotemporal dementia. Psychogeriatrics, 17(5), 346-351.

[13] Jiskoot, L. C., et al. (2018). Presymptomatic cognitive decline in familial frontotemporal dementia: A longitudinal study. Neurology, 91(14), e1295-e1306.

[14] Nichols, K. R., et al. (2013). When dementia is in the house: needs assessment survey for young caregivers. Canadian Journal of Neurological Sciences, 40(1), 21-28.

[15] Svanberg, E., et al. (2011). 'Just helping': Children living with a parent with young onset dementia. Aging & Mental Health, 15(6), 699-713.

[16] Halpin, S. N., et al. (2017). The experience and impact of genetic testing for Huntington's disease: a qualitative study. Journal of Genetic Counseling, 26(4), 738-746.

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