Bindung und (Ab-)lösung oder wenn Hänschen klein bleibt
Bindung ist definiert als eine enge, überdauernde emotionale Beziehung von Kindern zu ihren Eltern und anderen Bezugspersonen. Bindung schafft eine sichere Basis für das Kind. Bindung dient dem Kind als Sprungbrett in die Individualität. Zur Bindung gehört eine gelungene (Ab-) Lösung – das ist die andere Seite der Bindungs-Medaille.
„Erst wenn das Baby genügend Erfahrung von psychischer und physischer Nähe, empathischer Interaktion und verlässlicher Befriedigung seiner existenziellen Bedürfnisse gesammelt hat, kann sich das Streben nach Separation und Individuation überhaupt entwickeln.“ (Schon, 1995, S.19) Eine gelungene Bindung ist von vielen Faktoren abhängig und die Grundlage für die Beziehungsfähigkeit im Erwachsenenalter.
Wenn Babys und Kleinkinder sicher gebunden sind, gehen sie neugierig in die Welt, probieren alles aus und lassen sich von misslungenen Experimenten nicht so schnell aus der Bahn werfen. Und wenn doch, dann reguliert der sichere Hafen: Die tröstenden Arme der Bezugsperson werden ausgebreitet, sie werden vom Kind aufgesucht, Missempfindungen werden reguliert, das Misslingen in Worte gefasst, neue Zuversicht gewonnen und schon kann es wieder los gehen in die weite Welt.
„Das Gehen in die weite Welt“ ist die zweite Seite der Bindungs-Medaille. Denn eine Bindung sollte immer eine (Ab)-Lösung beinhalten. Die erste natürliche (Ab-) Lösung wird von Mutter und Kind nach der Geburt geleistet: Die Nabelschnur wird durchtrennt. Die intensive Bindung, vor allem die körperlich Verbindung von Mutter und Kind, wird aufgehoben. Hier muss die Mutter als erste Bindungsperson einen ersten Trennungsprozess durchstehen und darin auch das Baby begleiten.
„Die Bindung zwischen Mutter und Kind ist zwar die Grundlage aller Erziehung, die Lösung dieser besonderen Beziehung jedoch ist ihr vielleicht wichtigster Zweck.“ (Lauff, 2010, S.165) Wenn wir dem oben genannten Zitat folgen, dann sind Bindung und (Ab)-Lösung eng miteinander verknüpft. Junge Erwachsene sollten mit einem Urvertrauen in die Welt gehen und nicht von dem Trennungsschmerz der Mutter (wie in dem Lied von „Hänschen klein“) zurückgezogen werden. Natürlich ist es schön, ins Altvertraute zurückzukehren, das gibt einem das Gefühl von Sicherheit. Nur leider hat diese Geborgenheit einen Haken: Sie lässt uns nicht wachsen und sie lässt uns nicht die nächsten Schritte tun, um neue Bindungen aufzubauen: Hänschen bleibt für immer klein!
Kerstin Heins
Diplom-Sozialpädagogin
Kinderschutzkraft nach § 8a SGB VIII
Neurophysiologische Entwicklungsförderin
Heilerziehungspflegerin
Fachkoordinatorin A: aufklaren (Wandsbek)
Fachliche Leitung Frühe Hilfen bei Aladin Hamburg
Quellenangaben
- Schon, Lothar (1995): Entwicklung des Beziehungsdreiecks Vater-
Mutter-Kind, Triangelierung als lebenslanger Prozeß, W. Kohlhammer,
Stuttgart/Berlin/Köln - Lauf, Werner (2010): Das Elterndiplom oder: Erziehung verstehen,
Gütersloher Verlagshaus - Frömmel, Otto (1900): Hänschen klein (Text)