Armut macht krank – psychisch und physisch
Wie man den Teufelskreis aus Armut und psychischer Erkrankung durchbricht
Ein enger Zusammenhang von Armut und psychischen Erkrankungen wurde durch viele Untersuchungen nachgewiesen. So stellten BUSCH und Kollegen in einer Studie zur Gesundheit Erwachsener fest, dass bei Menschen mit einem niedrigeren sozialökonomischen Status (Bildungsniveau, berufliche Stellung und Einkommenssituation) depressive Symptomatiken 3-mal häufiger vorkommen als bei Menschen mit hohem Status (Busch et al 2013).
Die Auswirkungen von Armut und psychischer Erkrankung sind dabei wechselseitig und so steigt mit einem niedrigen sozialökonomischen Status nicht nur das Risiko psychisch zu erkranken, sondern auch andersherum mit einer Erkrankung das Risiko zu verarmen. Die Forschung spricht von sogenannten psychosozialen Belastungsfaktoren, zu denen neben Armut auch unzureichende Wohnverhältnisse, soziale Randständigkeit, kulturelle Diskriminierung und Arbeitslosigkeit zählt, die statistisch in Familien mit einem psychisch erkrankten Elternteil überrepräsentiert sind. Diese psychosozialen Faktoren begünstigen die Entstehung einer psychischen Erkrankung, können aber auch Folgen dieser sein (Mattejat 2008).
Der Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zur Armutsentwicklung in Deutschland von 2016 zeigt auf, dass sowohl Armut die Wahrscheinlichkeit für psychische Erkrankungen erhöht als auch erhebliche psychischen Belastungen zu Armut führen können (Der Paritätische Gesamtverband 2016).
Beispiele der Wechselwirkung sind:
- Erkrankung führt zu Trennung
Durch die Überforderung der Partner miteinander und mit der Erkrankung klarzukommen, kommt es zu Beziehungsabbrüchen und Trennungen. Dies hat zur Folge, dass überdurchschnittliche viele psychisch erkrankte Mütter alleinerziehend sind. Allein-Elternschaft ist ein bewiesenes Armutsrisiko für Kinder und Eltern. - Erkrankung führt zu geringem Einkommen, Bezug von Transferleistungen
Psychische Einschränkungen führen oft zu einem Verlust von Arbeit und Beschäftigung. ALG II oder frühe Berentung bringen nur begrenzte finanzielle Möglichkeiten mit sich. Daran hängt auch die Qualität des Wohnens. Schulden sind ein häufiges Phänomen und auch der Verlust der Wohnung ist immer wieder festzustellen. Dies kann zum einen durch Anhäufung von Mietschulden passieren, aber auch durch krankheitsbedingt fehlende Pflege der Wohnung bis hin zur totalen Verwahrlosung und Gefährdung der Nachbarschaft durch z.B. Brand oder Ungeziefer. - Erkrankung führt zu Armut an sozialen Netzwerken
Die Pflege und Aufrechterhaltung von informellen (privaten) Kontakten wird durch die Erkrankung und die damit verbundene Verhaltensweisen und Einschränkungen im Sozialverhalten sowie das Tabu erschwert. Fehlende Vorbilder, krankheitsbedingte Einschränkungen und Mangel an Handlungsfähigkeit führen dazu, dass psychisch Erkrankte weniger am – immer komplexer werdenden – gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Dieser Effekt überträgt sich auch auf die Kinder. - Armut macht krank - physisch und psychisch:
Arm zu sein bedeutet, weniger Teilhabe am öffentlichen Leben, weniger soziale Kontakte und oftmals Isolation. Dafür steigen die bereits beschriebenen psychosoziale Belastungsfaktoren, existentielle Ängste und sozialer Druck. All diese Auswirkungen der Armut senken die psychische Widerstandskraft (Resilienz) und den Glauben an die eigenen Fähigkeiten und Stärken (Selbstwirksamkeit) und erhöhen damit die Risiken psychisch zu erkranken (Jacobi 2012).
Es zeigt sich, dass Menschen in einfachen Verhältnissen weiterhin von vielfältigen gesundheitlichen Risiken bedroht sind, eine frühere Mortalität aufweisen und auch im Bereich der depressiven Symptome gefährdeter sind (Lampert et al. 2015). „Ob ‚arm und psychisch krank‘ oder ‚psychisch krank und arm‘: Die betroffenen Menschen befinden sich in einem Kreislauf, der geprägt ist durch Exklusion in allen Lebensbereichen, die damit verbundenen zunehmenden Selbstzweifeln und Resignation.“ (Der Paritätische Gesamtverband 2016)
Juliane Tausch
M.A. Klinische Sozialarbeit, Kinderschutzfachkraft nach §8a SGB VIII, Supervisorin/Coach (DGSV)
Projektleitung von A: aufklaren
Quellenangaben
- Busch et. al. (2013): Prävalenz der depressiven Symptomatiken und diagnostizierter De-pressionen bei Erwachsenen in Deutschland. In: Bundesgesundheitsblatt 2013/56. S. 733-739.
- Der PARITÄTISCHE Gesamtverband (2024): Armutsbericht 2024: Armut in der Inflation. Bericht zur Armutsentwicklung in Deutschland. Berlin.
- Jacobi, Frank (2009): Nehmen psychische Störungen zu? In: Report Psychologie. 34 (1), S.16-28.
- Lampert, T. et al. (2013): Sozioökonomischer Status und Gesundheit. In: Bundesgesundheitsblatt 2013/56. S. 814-821.
- Mattejat, Fritz; Remschmidt, Helmut (2008): Kinder psychisch kranker Eltern. In: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 105, Heft 23, Deutscher Ärzte-Verlag GmbH. S. 413-418.